Loserleben

Es gibt Dinge, die gesteht man nur Freunden; andere nicht einmal diesen, und dann existieren noch Dinge, die man sich nicht einmal selbst gesteht. Sie sind am gefährlichsten.

Im Fernsehen läuft gerade Herzblatt. Eine Show für schöngefönte Arschlöcher. „Kandidat drei: Was würdest Du machen, wenn mein Zwei-Meter-Ex-Freund vor Dir steht und Dich kennenlernen will?“ Saublöde Frage. Natürlich würde ich mit dem Kerl ein Bier trinken gehen und die Braut stehen lassen. Das hat sie verdient.

Aber von Frauen kann ich sowieso nicht mehr enttäuscht werden. Das ist alles schon durch und gelaufen. Was mich persönlich enttäuschen würde ist, wenn mein Fass Bier heute abend noch alle wird, oder mein Computer fällt noch aus. Vieles kann man verdauen – das nicht.

Denk‘ aber nicht gleich, die ganze Abwechslung meines Lebens ist bestimmt durch die verschiedenen Besetztzeichen-Töne meines Modems. Nein, ich mache mir das Single-Leben as schmackhaft as possible. Bei Langeweile setzte ich mich mit ’nem Blitzgerät auf den Balkon und blitze Autos. Natürlich macht das keinen Sinn. Aber sicher gibt es genügend Deppen, die denken dass das nicht gefaked ist. Und so nutzen sie die Toilettenspülung nur noch jedes zweite Mal, schalten die Heizung erst bei -4°C an und ertragen kalte Duschen, um das Ticket bezahlen zu können, das dann irgendwann nicht kommt.

Heute habe ich mir einen Advendskalender gebastelt. Bis es soweit ist, habe ich sowieso vergessen, was ich mir da eingepackt habe. Sind eh‘ nur Kleinigkeiten: Fotos von Ex-Freundinnen, den IKEA-Katalog und Erbsensuppenrezepte. Man macht sich sowieso viel zu wenig Geschenke. Schließlich ist man der Mittelpunkt seiner selbst.

Das habe ich im VHS-Kurs gelernt. Ist so ’ne Art Streichelzoo für Erwachsene. Eine reine Frauengruppe (die zwei Schwulen lasse ich da mal als Quasi-Frauen mit durchrutschen), in der eigentlich nur gefummelt wird. Die sexuell unterversorgte Grundschullehrerin, die diesen Kurs leitet, meint, dass es gut für das Befinden ist, wenn gefummelt wird – nur scheisse, dass man sich den Partner dabei nicht aussuchen kann. Kurz bevor eine 80-kg-Fleischtonne ihre Fleischeslust an mir befriedigen wollte, konnte ich abhauen.

So ein Glück habe ich aber nicht immer. Meistens habe ich sogar außergewöhnliches Pech. Das mag mir meistens auch niemand glauben – bis man mal einen Tag mit mir mitgemacht hat. Wenn ich den Bus verpass‘ rege ich mich sowieso nicht mehr auf. Im Gegenteil: Ich bin schon froh, wenn ich ihn wenigstens noch von hinten sehe. Und wenn er proppevoll ist, dann rede ich mir so lange ein, dass ich da eh‘ nicht eingestiegen wäre, bis ich es glaube.

Verpasste Busse sind Kleinigkeiten. Schwerer wiegen solche Ereignisse, wie das Abrutschen des Abwasserschlauches meiner Waschmaschine vom Siphon, der dann meinem Untermieter (zufällig ein Elektrohandel) den ganzen Laden vollsifft. Oder der erste Besuch bei den Eltern meiner Ex-Freundin: Vorher bin ich lecker in Hundescheiße getreten, die ich, quasi als Mitgift, im ganzen Wohnzimmer verteilte. Jegliche Hoffnungen der Eltern, dass ihre Tochter keinen Loser erwischt hat, machte ich prompt zunichte, indem ich mein Rotweinglas in die Horizontale brachte. Wie gesagt: ist meine Ex.

Letztens meinte ein Kollege zu mir: „Die Straße, in der Sie wohnen, ist die häßlichste Straße Berlins.“ Solche Sätze schocken mich nicht. Es ist mehr eine Bestätigung meiner Gedanken: „Warum soll eine dämliche Straße nicht zu meinem Leben passen.“ Obwohl – häßlich ist mein Leben nicht. Eher verkorkst oder monoton nietig.

Der Abend heute Abend passt rein in mein Leben: Seit x Jahren habe ich mir mal wieder ein Video ausgeliehen (Besser geht’s nicht). Gerade als ich die Videocassette in den Recorder und meine Füße auf einen Stuhl legte, die Bierflasche öffnete und den Film starten wollte, bekam ich einen Schock. Der Film spielte sich in Zeitlupe ab, später gab’s nur noch Standbilder. Der Abend war gelaufen. Zum Glück hatte ich keine Frau dabei, denn das wäre peinlich geworden. Aber wahrscheinlich wussten die das in der Videothek gleich („Ha, dem drücken wir mal das kaputte Video auf’s Auge. Hat doch eh‘ nichts anderes zu tun, als bei der Kälte draußen herumzulaufen, der verdammte Single.“).

Auf dem Rückweg von der Videothek, die drei Mark wurden mir gutgeschrieben, hat sich ein Baby die Windeln vollgemacht. Die Mutter, offensichtlich überfordert (und meiner Meinung nach viel zu alt), stand auf und beförderte es mit geschickten Hüftschwüngen auf und nieder, dass das Balg ruhig blieb und sich der Gestank besser im Bus verbreitete. Mal sehen, was mir heute noch passiert (wahrscheinlich bricht mir der Nikolaus die Tür ein).

Der Nikolaus war ein Reinfall! Nicht, dass er mir die Tür aufgebrochen hätte, aber er packte mir, in Gestalt eines Briefträgers, eine Paketbenachrichtigung in den Briefkasten. Ich habe mich natürlich gefreut, dass es auch noch liebe Menschen auf der Welt gibt (dabei habe ich an meine Eltern gedacht, die ich schon anrufen wollte, um mich fürs Paket zu bedanken.). Tja, und am nächsten Morgen, kurz nachdem mich die Putzfrau aus der Post raustrieb, weil ich dort zu früh eingetreten bin, überreichte mir der Schalterfritze ein Paket. Es war eine Shampooprobe, die ich mir vor einiger Zeit über das Netz bestellt hatte. Wenigstens hatte Wella an mich gedacht (wird jetzt nach Hertie meine zweitliebste Freundin in Berlin).

Die Jahreszeit passt mir ganz gut. Ich habe mir jetzt ein Mitleidshusten angewöhnt, und niemand merkt, dass er nicht echt ist. Aber es wirkt: Von allen Seiten bekomme ich Mitleid und Pillen zugesteckt. Hauptsache, da ist nicht mal ein Aphrodisiakum bei, denn so weit, um sowas auszuprobieren, geht das Mitleid dann leider doch nicht.

Das neue Jahr geht schon gut los. In der Firma bekam ich einen Anruf und begrüßte die Anruferin, die sich im Display als meine allerliebste Kollegin entpuppte, mit einem freundlichen: „Du schon wieder, Du Trüffelnase?!“ Tja, und wer war die Trüffelnase? Ein Geschäftsführer, der vom Telefon dieser Kollegin anrief. Ich habe nach dem Loch im Boden gesucht, aber leider nicht gefunden.

Schlimmer war allerdings die Aktion, die ich mit unserer Personalchefin erlebte. Als ich versuchte, diese anzurufen, schaltete sich Ihr Anrufbeantworter ein. Verärgert und ohne ein Wort zu sagen, schmiss ich den Hörer auf die Gabel. Ein Kollege der gerade im Zimmer war, wollte mir Gutes tun und so zogen wir allerfeinst über die Personalchefin her. Das ging eine ganze Weile so, bis ich merkte, dass der Hörer nicht korrekt auf der Gabel lag…. Gehaltserhöhungen sind seither ausgeschlossen.

Das Talent hierfür muss ich von meinem Vater, einem Polizeibeamten, geerbt haben: Er stieg mit einem Kollegen in den Peterwagen ein und legte seine Tasche neben sich. Dabei bemerkte er nicht, dass er das Mikrofon des Funkgerätes aktivierte. Und alle Polizisten der ganzen Stadt hatte ihren Spaß dabei, wie Paps und sein Kollege über die Polizeiführung ablästerten.

Zurzeit merke ich, dass meine Augen den harten 12-Stunden-auf-der-Arbeit-am-Bildschirm-Herumhäng-Tag nicht durchstehen. So bat ich eine Kollegin nach Rat, weil ich wusste, dass sie bereits einer anderen Kollegin mit Gesundheitstipps (…die Oma auch schon kannte…) helfen konnte. Tja, da bekam ich nun die Empfehlung, mir Gurkenscheiben auf die Augen zu legen. Erst dachte ich, dass das ja eigentlich nur Frauen machen, die 1. alt 2. faltig und 3. arm sind, weil sie sich keine richtige Creme leisten können. Punkt drei habe ich mittlerweile aus’m Hirn verdrängt, denn die Gurke kostete DM 2,99 (1,53 Euro (zeige mir einen Preis, hinter dem kein Euro steht, und ich kauf‘ Dir ’ne Gurke)).

Jedenfalls habe ich mir die Gurke auf die Augen geschnippelt. Tat zuerst auch ganz gut, aber dann müssen die Gurkensäfte ins Auge gelaufen sein, wo sie ihr Unheil anrichteten. Meine Augen quollen an, wurden knallerot und fingen an zu jucken. Wahrscheinlich war das Ding gespritzt. Nun kann ich mir wenigstens sicher sein, dass sich kein Ungeziefer an meinen Augen zu schaffen macht. Am nächsten Morgen fiel mir beim Duschen die Handbrause herunter, kurz nachdem ich meinen Schädel shampooniert hatte (Wella sei Dank). Als ich mich dann nach dem Teil bückte, lief mir die ganze Lauge ins Auge. Spaß macht das nicht!

Mittlerweile bin ich gar kein Single mehr. Kein Single mehr und wieder Glück im Leben? Eine gewagte These. Den Beweis, das dies so ist, bekam ich am letzten Mittwoch. Da war meine Freundin nämlich auf Reisen und musste mich für zwei Tage alleine lassen….

Nachdem ich das Frühstück alleine hinter mich brachte, blickte ich mit halb geöffneten Augen aus dem Fenster und sah, dass der Kollege bereits mit laufendem Motor auf mich wartete. Bei der Fahrt zur Arbeit stellte ich dann fest, dass mein Portemonaie ganz alleine in der Wohnung zurückbleiben musste. Nicht ganz allein, denn meine Fahrkarte war bei ihm geblieben…

Auf dem Rückweg mit Bus und Bahn begegnete mir kein einziger Kontrolletti und ich war froh, endlich in die warme Wohnung zurückzukehren. Ein beherzter Griff nach dem… nach dem…. Scheiße, ich hatte den Schlüssel in der Firma vergessen. Also wieder den Adrenalinspiegel in die Höhe treiben und ’ne Stunde schwarz in der Bahn zur Firma eiern. Dort sah’s schon sehr nach Feierabend aus: Der Pförtner war nach Hause gegangen und hatte die Pforte abgeschlossen.

Im Nachhinein war der Sprung über den Firmenzaun sinnlos, denn die Tür des Gebäudes war dicht und wir haben nicht mal ’ne Alarmanlage, die ein bißchen Stimmung in der Nachbarschaft verbreitet hätte. Glücklicherweise arbeite ich in einer Firma, die sich sogar eine Hauptpförtnerei leisten kann, die die ganze Nacht besetzt ist. Also bin ich dorthin gelatscht.

Tja und dann kam der Augenblick, in dem ich wahnsinniges Glück hatte: Der Pförtner hatte den richtigen Schlüssel zu meinem Schlüssel. Und auf dem Rückweg nach Hause (wieder ’ne Stunde) bin ich auch nicht mehr kontrolliert worden. War einfach ’n Klasseabend! Ich wusste gar nicht mehr, wie sowas ist…. Aber jetzt ist sie ja wieder da…

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